Hilf mir, es selbst zu tun – Unternehmerische Bildung an der Aktiv-Schule Erfurt
Kann man unternehmerisches Denken und Handeln direkt und langfristig in den Schulalltag integrieren? Eine Thüringer Gemeinschaftsschule zeigt mit ihrem Konzept in der Sekundarstufe einen möglichen Weg.

© Aktiv-Schule Erfurt
Seit 2017 wird an der Aktiv-Schule Erfurt im Rahmen des Wahlpflichtfaches durchgängig in den Jahrgangsstufen 7 – 10 unternehmerisches Denken und Handeln unterrichtet. Aufgebaut ist das Unterrichtsfach nach der Drei-Sektoren-Hypothese der Volkwirtschaftslehre. Flankiert wird es von je einem zweiwöchigen Praktikum in jedem Sektor, Inhalten aus Wirtschaft & Recht, den Herausforderungsprojekten in den Jahrgangsstufen 6 und 8 sowie weiteren Unterrichtsprojekten, wie z.B. dem Betreiben eines Marktstandes auf dem Mittelalterfest im Rahmen des Epochenunterrichts der 7. Jahrgangsstufe.
Meiner Meinung nach kann man in einer Schule nicht besser auf das „echte“ Leben vorbereitet werden, als in unserer Schule und mit dem Unterrichtsfach „Arbeiten & Wirtschaften“.
T., Schüler der 10. Jahrgangsstufe
Wirtschaft begreifen heißt wirtschaftliche Prozesse selbst erleben |
In den Klassenstufen 7 und 8 sammeln die Schülerinnen und Schüler der Aktiv-Schule Erfurt eigene unternehmerische Erfahrungen in dem nun einsetzenden Unterrichtsfach Arbeiten & Wirtschaften. Dabei liegt der Schwerpunkt in diesen Altersstufen auf der Produktion von Rohstoffen und ersten Berührungen mit Direktvermarktung. Alle zwei Wochen gehen die Jugendlichen einen kompletten Unterrichtstag an die Außenstelle am Forsthaus Willrode und sind dort in der Urproduktion tätig. Nach den Prinzipien der Vier-Felder-Wirtschaft bearbeiten sie einen großen Bauerngarten, sie ziehen Obst und Gemüse sowie Kräuter für den Eigenverbrauch, aber auch für den regelmäßigen Verkauf innerhalb der Schulgemeinschaft. In Zusammenarbeit mit Thüringenforst pflegen die Jugendlichen zwei große Streuobstwiesen. Das Obst wird geerntet, verwertet und ebenfalls zu Schulfesten von den Jugendlichen zu selbst kalkulierten Preisen vermarktet. An dem auf dem Areal befindlichen Lehrbienenstand der Aktiv-Schule lernen die Schülerinnen und Schüler im Unterricht erste Handgriffe der Imkerei und sind jedes Jahr sehr stolz auf den selbst erzeugten Honig – ein Verkaufsschlager in der Schule und darüber hinaus. Auch im forstwirtschaftlichen Bereich werden die Jugendlichen tätig. Sie pflanzen Bäume, pflegen Bestände und produzieren Brennholz, für das sich immer auch Käufer finden. Gearbeitet wird rund um das Jahr und die Erkenntnis wächst zunehmend, dass es kein schlechtes Wetter gibt, sondern nur unpassende Kleidung. Dieses Wissen hilft auch in den beiden Praktikumswochen, die die Jugendlichen in der Landwirtschaft, Imkerei, Fischerei oder im Forst absolvieren können. Anstelle von Lehrbüchern tritt nun in der Pubertät die Lebenswirklichkeit und wie Hartmut von Hentig es so schön sagte, „die nützliche Erfahrung, nützlich zu sein“. |
Entrepreneurship Education und die Arbeit am Forsthaus haben mein Verständnis für wirtschaftliche Prozesse am meisten geprägt. Zum einen hatte ich hier viel Input, konnte es aber auch gleich ausprobieren. Das Testen hat mir beim Verstehen viel geholfen.
L., Schülerin der 10. Jahrgangsstufe
In der Klassenstufe 9 entwickeln die Jugendlichen ein Halbjahr lang eine erste eigene Geschäftsidee. Entrepreneurship Education hilft ihnen, sich ihrer eigenen Stärken bewusst zu werden, in Möglichkeiten und nicht in Grenzen zu denken, ihren Gründergeist zu wecken und zwei Methoden zu erlernen (Design Thinking und Canvas Model), um ihre Ideen auf die Füße zu stellen und zu Papier zu bringen.
Einen Unternehmensnamen finden? Ein eigenes Logo erstellen? Alles Inhalte dieser Unterrichtstunden, ebenso wie Reflexionen zur Macht der eigenen Gedanken und dem Scheitern als hilfreiche Erfahrung. Auch thematisch geeignete Unterrichtsinhalte aus dem Fach Wirtschaft & Recht fließen ganz organisch in diesen Prozess mit einer Wochenstunde ein. Höhepunkt dieses Halbjahres ist die Präsentation der eigenen Geschäftsidee vor einer externen Jury, bestehend aus Unternehmerinnen und Unternehmern der Region – ein echtes Feedback also von Unternehmensexperten.
Im anderen Schulhalbjahr werden die Jugendlichen wieder ganz praktisch tätig – dieses Mal im Handwerk. Sie erlernen Grundlagen der Schneiderei als einen Bereich der Rohstoffverarbeitung. Ziel ist es, ein eigenes Schneiderprojekt, auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, zu planen und umzusetzen.
Einen Praktikumsplatz in dieser Jahrgangsstufe suchen sich die Jugendlichen im Handwerk, im Baugewerbe oder in der Industrie.
Das erste Halbjahr der Klassenstufe 10 steht unter dem Motto „Bewegt was!“. In einer Kleingruppe gilt es, eine Geschäftsidee, ein Projekt, eine Demo oder was auch immer ins Rollen zu bringen. Einzige Vorgaben sind: Die Idee muss sich wirtschaftlich im Mindesten selbst tragen und tatsächlich in der Gesellschaft wirksam werden. Begleitet wird der Prozess durch Module wie zum Beispiel Finanzierung, Marketing, Buchhaltung und rechtliche Grundlagen. Die Schülerinnen und Schüler schreiben dazu eine Facharbeit und präsentieren ihr Projekt vor eine Fachprüfungskommission. Am Ende des 1. Halbjahres absolvieren die Jugendlichen ein Praktikum im Dienstleistungsbereich.
Im zweiten Halbjahr der 10. Klasse gilt es das große Abschlussprojekt zu planen und als Gruppengroßprojekt des gesamten Kurses kostendeckend gemeinsam umzusetzen. Dieses ist im kulturellen Sektor, als einen Bereich des Dienstleistungssektors angesiedelt.
Hier schließt sich ein Kreis: Hilf mir, es selbst zu tun. Unsere Jugendlichen sind als unternehmerisch Denkende, eigenständig Wirkende und teamfähig Handelnde in unserer Gesellschaft angekommen.
Ansprechpartnerin

Steffi Grossert
Lehrerin für Entrepreneurship Education
Aktiv-Schule Erfurt
Schellrodaer Weg 4
99097 Erfurt
+49 3616609020
steffi.grossert@aktivschule-erfurt.de